Dirk Barfknecht


Zum Namensstreit zu Ernst-Moritz-Arndt

Der Bekanntheitsgrad Arndts dürfte doch heute eher überschaubar sein.
Vor der jetzt laufenden Diskussion werden viele von ihm nicht mehr als seinen Namen gekannt haben. Durch den "Versuch einer Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern" hat er sicherlich große Verdienste für die Region erworben, die es auch rechtfertigen, eine Greifswalder Straße und eine Schule nach ihm zu benennen. Dieses Buch veranlasste schließlich den schwedischen König zur Abschaffung der Leibeigenschaft. Nicht umsonst wird in der Arndtstraße auf der Infotafel unter dem Straßenschild gerade auf dieses Werk hingewiesen.

Aber muss man deswegen gleich eine Universität nach Arndt benennen?

Dieser große Verdienst ist regional bezogen, so dass bei positiver Wertung dem Universitätsnamen immer etwas Provinzielles anhaftet. Überregional wird in Arndt der reaktionäre Nationalist gesehen, der durch einige seiner eher wirren Äußerungen eben für viele untragbar geworden ist, z.B.: >> lasst uns unsre Franzosen, die Entehrer und Verwüster unserer Kraft und Unschuld, nur noch frischer hassen,<<. Es gibt zu viele derartiger Äußerungen, die in einem vereinten Europa nichts mehr zu suchen haben. Der Geist seiner Zeit kann keine Entschuldigung sein, denn das würde ja auch für jede Äußerung eines Nazi im Dritten Reich gelten. Die Arndt-Befürworter meinen wohl eher, diese Zitate sind nur in ihrem historischen Zusammenhang verständlich.

Umkehrschluss: sie sind heute völlig überholt.

Der Ruhm des Verfassers verblasst nicht ohne Grund. Wenn die Uni an ihrem Namen festhält, dann hat es allenfalls etwas Nostalgisches an sich, ist aber kein Zeichen für Zukunftsorientiertheit. Ob oder wie man mit einem Namen für sich werben will, das muss die Greifswalder Universität selbst entscheiden. Aber ist die Bedeutung Arndts eigentlich noch groß genug, um sich über ihn wirklich streiten zu müssen?

....zusammen mit dem vorwärts-Blog...

(veröffentlicht als Leserbrief in der Ostsee-Zeitung - Greifswalder Zeitung am 07.07.2009)




Differenzieren, nicht Relativieren!

Der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Erwin Sellering (SPD) verwahrte sich in einem Interview dagegen, die DDR als den totalen Unrechtsstaat zu verdammen, in dem es nicht das kleinste bisschen Gute gegeben habe. Auch die SPD-Bundespräsidentenkandidatin Gesine Schwan will die DDR neu bewertet wissen, wenn sie den Begriff „Unrechtsstaat“ für die DDR als diffus ablehnte.

Das sichtbarste Erbe der DDR sind die Plattenbausiedlungen. Wer in dieser Rigidität behauptet, in der DDR habe es nichts Gutes gegeben, muss auch in seiner Architektur zwangsläufig einen Ausdruck eines totalen Unrechtstaates sehen. Aber stimmt das?

Die DDR hatte ein gravierendes Problem - die Wohnungsnot. Zur Lösung griff man auf die zu der Zeit international anerkannte Bauarchitektur zurück. Die Plattenbauweise wandte man um 1910 erstmalig in New York an. Die Idee der Großraumsiedlung wurde unter der Federführung Le Corbusiers in der Charta von Athen 1933 theoretisch fundiert und dann nicht nur in der DDR, sondern auch unter anderem in der Schweiz, Finnland, Schweden und ja auch in der alten Bundesrepublik (z.B. Köln-Chorweiler) verwirklicht, also an Orten, die nicht gerade im Verdacht stehen, solche des staatlichen Unrechts zu sein.

Bezeichnenderweise hat die Bundesrepublik sich nach 1990 zu den Plattenbausiedlungen durch deren Sanierung sowie Förderprogramme zur Wohnumfeldgestaltung bekannt.

In der alten Bundesrepublik haben die Unterschiede zwischen dem Land und der Stadt nach 1945 nur noch eine geringe Dauer gehabt. Der Bevölkerungszuwachs in den 1950er und 1960er Jahren sowie eine erhöhte Mobilität haben diese weitestgehend aufgehoben. Dagegen ist ein Land wie Mecklenburg-Vorpommern noch heute überwiegend ländlich geprägt. Nicht alles, was im Westen funktioniert, kann daher Eins zu Eins übertragen werden. Dies wird bei der medizinischen Versorgung der unterversorgten, dünn besiedelten Gebieten sichtbar. Die „westliche“ Bundesrepublik bietet hierzu keine Lösungsansätze. Das Land Mecklenburg-Vorpommern greift dagegen mit seinem Modellprojekt AGnES auf eine in der DDR schon etablierte Einrichtung, nämlich der der Gemeindeschwester, zurück.

Wie soll man aber erklären, dass eine Institution wieder belebt wird, die in der DDR sich im ländlichen Raum bewährt hatte, wenn sie dem „Reich des Bösen“ entstammte? Oder: wie sonst könnte man die Verwendung von Steuergeldern für die Plattenbausiedlungen erklären? Dies steht doch offensichtlich im Widerspruch zu dem Grundsatz, in der DDR war alles schlecht. Dieses dogmatische Dilemma ist nur zu lösen, wenn es endlich einen differenzierten Blick auf die DDR gibt. Alles andere ist unglaubwürdig.

Nichts anderes machen Erwin Sellering oder Gesine Schwan: Wenn sie sagen, dass es in der DDR auch Gutes gab, dann beinhaltet dies ja immer auch das Gegenteil, ohne dass dies noch explizit betont werden muss. In der Bonner Republik gehörte die Bewertung der DDR als diktatorischer Staat sowieso zum eigenen Selbstverständnis. Es geht hier nicht um Relativierung des Unrechts, sondern um eine differenzierte Betrachtung eines Staatswesens. Selbstverständlich muss das Unerträgliche, das Totalitäre der DDR, das es unbestreitbar gab, auch weiterhin dringend aufgearbeitet und in Erinnerung gehalten werden.

Bezüglich des Mauerbaus oder der Stasi fällt dies leicht. Schwieriger wird es schon dann, wenn es z.B. um die Bewertung historischer Persönlichkeiten geht, die von der DDR vereinnahmt wurden. Das Pommersche Landesmuseum in Greifswald widmet zur Zeit eine Ausstellung dem preußischen Offizier Ferdinand von Schill, der 1806/1807 mit einem Freikorps gegen die Franzosen zog. Im westdeutschen kollektiven Gedächtnis spielt er keine Rolle. Alles, was mit Preußen zu tun hatte, war verdächtig und Militärs nach dem zweiten Weltkrieg sowieso. Durch die Freundschaft zu Frankreich in einem vereinten Europa gab es zudem keinen Bedarf mehr, einen gegen den Nachbarn kämpfenden Patrioten zu würdigen. Die DDR mit ihrem Hang zum Militarismus mag in ihm einen preußischer Offizier gesehen haben, der für die selbst ernannte „gute“ Sache kämpfte - eine Rechtfertigung, dass das Militär ja wohl für sich nicht schlecht sein kann. Als historische Person hatte Schill nur in der DDR einen Bekanntheitsgrad. Eine Ausstellung zu dieser Person steht somit viel mehr in der DDR-Tradition, als man denkt. Wenn das Pommersche Landesmuseum die DDR-Rezeption Schills thematisiert, dann wird gerade auch die Ideologie eines Unrechtsstaates im Kleinen und in wünschenswerter Weise problematisiert.

Eine differenzierte Betrachtung ist immer das Ergebnis einer ernsthaften Auseinandersetzung - weit entfernt von der nicht weiter begründeten Generalablehnung, die zudem im Verdacht eines allzu politischen Kalküls steht.

Für die, die (wir) nach der Wende aus dem Westen in den Osten gekommen sind – und hierzu gehören auch Gesine Schwan oder Erwin Sellering – ist das westdeutsche, noch aus dem Kalten Krieg stammende Selbstverständnis, nach der die DDR als Vorposten der sowjetkommunistischen Diktatur mithin – heute würde man sagen – zur Achse des Bösen gehörte und damit alles in ihr abzulehnen sei, in der Form schlicht zu platt.

(veröffentlicht im vorwaerts-blog am 28.05.2009)




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